Interview mit Laura Méritt über SexualitätEN, (feministische) Pornos und Lookism... Magst du dich erst mal vorstellen? Laura Méritt Du hast auch bei einer feministischen Pornoproduktion mitgemacht. Nach welchen Kriterien wurden die Akteurinnen ausgesucht? Es waren ca 50 Frauen und Transgender-Leute, die sich eingebracht haben, wir hatten keine Auswahlkriterien. Das ist sicher auch das Besondere daran. Unser Projekt ist ein Leidenschaftsprojekt. Das Alter der Personen reichte von 20 bis 56, es war eine Schwangere dabei, die liebend gerne ihren Bauch gezeigt hat und eine andere, die schöne Falten hatte, eine Person war schön füllig, eine andere dünn. Eine bunte Mischung ist da zustande gekommen. Auf dem letzten Berliner Ladyfest hast du zum Beispiel einen Porno gezeigt, in dem eine Frau nur ein Bein hatte. Wie waren die Reaktionen? Das war ungefähr der erste Lesben-Porno, der hier in Berlin oder auch in Deutschland gedreht wurde. Die Akteurinnen waren zwei auffällige Frauen, die eine mit Glatze und punkig, die andere hatte die damals modische Frisur: auf der einen Seite einen langen Zopf, ansonsten kurzer Haarschnitt. Und sie hatte eben nur ein Bein. Die Reaktionen waren sehr interessant. Die Mehrheit der Zuschauerinnen war so beschäftigt mit dem Treiben der beiden – sie sind sehr aufeinander abgefahren – dass überhaupt nicht bemerkt wurde, dass die eine Frau einbeinig war. Du bist ja Sex-Beraterin und Sex-Arbeiterin. Spielen Schönheitsnormen dabei eine Rolle? Als Sexarbeiterinnen lernen Frauen, sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Dick, dünn, große Titten, kleine Titten, dicker Arsch, wie auch immer. Du lernst, dich in Pose zu setzen. Alles findet ein Begehren. Auch bei Pornos gibt es alle möglichen Varianten. Aber hier wird es kategorisiert als Fetisch. Prostitution ist das Sammelbecken für alles, was in der Gesellschaft nicht sein darf. Hier dürfen alle Geschlechtergrenzen überschritten werden. In der Sexualberatung stelle ich leider immer noch fest, dass Frauen sehr starke Probleme damit haben, wie sie aussehen und ob sie den eigenen und fremden Ansprüchen genügen. Wenn zum Beispiel die Lippen nicht gleichmäßig geformt sind oder die Brüste zu lang, dann behindert das die Frauen im Ausleben ihrer Sexualität, weil sie sich nicht normal fühlen. Gibt das da dann einen Ansatz, wie du sie dann berätst? Klar. Ich empfehle ihnen, zu mir in den Salon zu kommen oder ähnliche Orte aufzusuchen, weil hier sehr unterschiedliche Leute sind, die sich nicht kategorisieren lassen. Und es gibt Unterstützung, auch darin, dass eine Operation nicht unbedingt die Lösung ist und du danach plötzlich deine Sexualität findest, sondern du auch anders zu dir selber finden kannst. Sind Frauen mehr von Schönheitsnormen betroffen als Männer? Und Geschlechtsoperationen? ...im "Sexclusivitäten" (Berlin) Vielleicht kannst du noch was persönliches erzählen, wo du selber kategorisierst oder selber mit Diskriminierung aufgrund deines Aussehens konfrontiert worden bist? Diskriminierung habe ich als Femme und als Sexarbeiterin mit langen blonden Haaren erlebt. Ich war früher hetero, dann bi und jetzt lesbisch. In der Anfangszeit meines Lesbentums, als ich auch noch Sexarbeiterin war, musste ich mich stark beweisen und gegen Urteile angehen. Ob ich persönlich kategorisiere? Ähm, jetzt natürlich nicht mehr. (lacht) Warst du Sexarbeiterin für Lesben oder Heteros? Ich habe in der Hetero-Prostitution gearbeitet. Das war damals sehr schwer, der Lesbenszene zu vermitteln, dass es auch als Lesbe möglich ist. Da gab es Anfeindungen von allen Seiten. Und das macht sich dann auch am Äußeren fest. Mit langen Haaren wirst du gleich als Hetera eingestuft. Eine letzte Frage: Hast du sie dann deswegen abgeschnitten? Nein. So kurz wie jetzt hab ich sie erst seit ein paar Jahren. Als es immer liberaler wurde und immer mehr Lesben mit langen Haaren aufgetaucht sind. (lacht)
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