Interview mit Laura Méritt über SexualitätEN, (feministische) Pornos und Lookism…

Magst du dich erst mal vorstellen?
Ich bin die Sexpertin Laura Méritt und mein Ein-Frau-Unternehmen ‘Sexclusivitäten’ hat dieses Jahr 20-Jähriges – also 20 Jahre Sex-Spielzeuge und Veranstaltungen rund um Sex. Die mittlerweile vorhandene weibliche Sexindustrie habe ich mit aufgebaut und ich kämpfe für die Befreiung der SexualitätEN. Außerdem bin ich Autorin, Herausgeberin, Linguistin und Mediatorin, leite Workshops und andere initiiere Aktionen wie jetzt den jährlichen Mösenmonat MöMo .

Du hast auch bei einer feministischen Pornoproduktion mitgemacht. Nach welchen Kriterien wurden die Akteurinnen ausgesucht?
Es waren ca 50 Frauen und Transgender-Leute, die sich eingebracht haben, wir hatten keine Auswahlkriterien. Das ist sicher auch das Besondere daran. Unser Projekt ist ein Leidenschaftsprojekt. Das Alter der Personen reichte von 20 bis 56, es war eine Schwangere dabei, die liebend gerne ihren Bauch gezeigt hat und eine andere, die schöne Falten hatte, eine Person war schön füllig, eine andere dünn. Eine bunte Mischung ist da zustande gekommen.

Auf dem letzten Berliner Ladyfest hast du zum Beispiel einen Porno gezeigt, in dem eine Frau nur ein Bein hatte. Wie waren die Reaktionen?
Das war ungefähr der erste Lesben-Porno, der hier in Berlin oder auch in Deutschland gedreht wurde. Die Akteurinnen waren zwei auffällige Frauen, die eine mit Glatze und punkig, die andere hatte die damals modische Frisur: auf der einen Seite einen langen Zopf, ansonsten kurzer Haarschnitt. Und sie hatte eben nur ein Bein. Die Reaktionen waren sehr interessant. Die Mehrheit der Zuschauerinnen war so beschäftigt mit dem Treiben der beiden – sie sind sehr aufeinander abgefahren – dass überhaupt nicht bemerkt wurde, dass die eine Frau einbeinig war.

Du bist ja Sex-Beraterin und Sex-Arbeiterin. Spielen Schönheitsnormen dabei eine Rolle?
Als Sexarbeiterinnen lernen Frauen, sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Dick, dünn, große Titten, kleine Titten, dicker Arsch, wie auch immer. Du lernst, dich in Pose zu setzen. Alles findet ein Begehren. Auch bei Pornos gibt es alle möglichen Varianten. Aber hier wird es kategorisiert als Fetisch. Prostitution ist das Sammelbecken für alles, was in der Gesellschaft nicht sein darf. Hier dürfen alle Geschlechtergrenzen überschritten werden.
In der Sexualberatung stelle ich leider immer noch fest, dass Frauen sehr starke Probleme damit haben, wie sie aussehen und ob sie den eigenen und fremden Ansprüchen genügen. Wenn zum Beispiel die Lippen nicht gleichmäßig geformt sind oder die Brüste zu lang, dann behindert das die Frauen im Ausleben ihrer Sexualität, weil sie sich nicht normal fühlen.

Gibt das da dann einen Ansatz, wie du sie dann berätst?
Klar. Ich empfehle ihnen, zu mir in den Salon zu kommen oder ähnliche Orte aufzusuchen, weil hier sehr unterschiedliche Leute sind, die sich nicht kategorisieren lassen. Und es gibt Unterstützung, auch darin, dass eine Operation nicht unbedingt die Lösung ist und du danach plötzlich deine Sexualität findest, sondern du auch anders zu dir selber finden kannst.
Sind Frauen mehr von Schönheitsnormen betroffen als Männer?
Jaja. Natürlich sind Männer auch betroffen, aber es ist kein Vergleich zu dem, was Frauen an Kontrollen erleiden mussten. Äußerlich und innerlich, physisch und psychisch. Das ist ein enormer Unterschied. Ich will hier aber keine Hierarchie der Unterdrückung aufmachen. Es geht darum, Normen abzubauen und diese starren Vorstellungen aufzulösen, und damit allen zu helfen. Klar, ich kämpfe für Frauen, aber ich bin letztendlich gegen eine Kategorisierung in Geschlechter überhaupt.

Was hältst du von Schönheitsoperationen?
Ich persönlich finde es unnötig, weil ich gerne jede Person so akzeptiert sehen möchte, auch von sich selbst, wie sie ist. Manche Menschen leiden aber so sehr, dass Operationen dann sinnvoll sein können bzw. schmerzlindernd.

Und Geschlechtsoperationen?
Prinzipiell ist das okay, wenn es leidreduzierend wirkt. Aber auch bei Transgender haben sich natürlich schon Schönheitsnormen etabliert, entsprechend der allgemein männlichen, inkl. Bodybuilding und Fashio-Outfit. Ich freue mich aber sehr, wenn andere Varianten von Geschlecht auftauchen und glücklich sind. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft die Leute einfach so lassen würde, wie sie sich geben oder fühlen, die Bewertungen wegfallen würden. Das würde vielleicht manche Operation ersparen, auch am Geschlecht. Jetzt ist es ja noch so, dass die Gebärmutter entfernt wird, damit du als richtiger Mann anerkannt wirst. Besser wäre es dem Beispiel New York zu folgen. Hier kann man seinen Namenin den Pass eintragen lassen, wenn man den Nachweis erbringt, unter eben diesem Namen mehrere Jahre gelebt zu haben und als solcher bekannt zu sein.

Vielleicht kannst du noch was persönliches erzählen, wo du selber kategorisierst oder selber mit Diskriminierung aufgrund deines Aussehens konfrontiert worden bist?
Diskriminierung habe ich als Femme und als Sexarbeiterin mit langen blonden Haaren erlebt. Ich war früher hetero, dann bi und jetzt lesbisch. In der Anfangszeit meines Lesbentums, als ich auch noch Sexarbeiterin war, musste ich mich stark beweisen und gegen Urteile angehen.
Ob ich persönlich kategorisiere? Ähm, jetzt natürlich nicht mehr. (lacht)

Warst du Sexarbeiterin für Lesben oder Heteros?
Ich habe in der Hetero-Prostitution gearbeitet. Das war damals sehr schwer, der Lesbenszene zu vermitteln, dass es auch als Lesbe möglich ist. Da gab es Anfeindungen von allen Seiten. Und das macht sich dann auch am Äußeren fest. Mit langen Haaren wirst du gleich als Hetera eingestuft.

Eine letzte Frage: Hast du sie dann deswegen abgeschnitten?
Nein. So kurz wie jetzt hab ich sie erst seit ein paar Jahren. Als es immer liberaler wurde und immer mehr Lesben mit langen Haaren aufgetaucht sind. (lacht)

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